Das Big4-Sündenregister 2022
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Kategorie: WP in den Medien
Datum: 22.12.2022
CumEx-Betrug ohne Wirtschaftsprüfer nicht möglich

Über die Verstrickungen der Big4 im CumEx erfahren Sie auf der Website der Bürgerbewegung Finanzwende einiges. Warum die WPK wegen kleiner Fehler im Bundesanzeiger gleich die Keule der Berufsaufsicht auspackt, jedoch seit über 10 Jahren die CumEx-Big4-Mitwirkung ausgeblendet hat, muss wohl etwas mit der Besetzung der Berufsaufsicht zu tun haben.

Dr. Schick & Co. von Finanzwende formulierte auf ihrer Website den Vorwurf, dass die Rolle der vier Prüfer (Big4 sind gemeint) in Sachen CumEx bislang noch nicht beleuchtet wurde. Umgangssprachlich übersetzt: Die Kammer schaute bislang weg.

Finanzwende formuliert drei Vorwürfe:

  1. Die großen Prüfgesellschaften haben die Bilanzen der beteiligten Akteure geprüft. Es stellt sich die Frage, warum die Geschäfte nicht bereits an dieser Stelle verhindert oder wenigstens publik wurden.
  2. Die Wirtschaftsprüfer sind teils von Unternehmen, teils von Behörden beauftragt worden, CumEx-Geschäfte aufzuklären und die Rolle von Instituten und einzelnen Personen zu prüfen. Hier kam es teilweise zu merkwürdigen Ergebnissen.
  3. Wäre beim IDW rechtzeitig eine vernünftige Grundlage für die Prüftätigkeit beschlossen worden, wären die CumEx-Geschäfte gar nicht möglich gewesen, zumindest nicht in diesem Umfang!

Lesen Sie diesen schockierenden Finanzwende-Bericht über das Versagen der Big4-Prüfer und Ihres Verbands IDW bei der “Abschaltung” des CumEx-Betrugs. Ein schwerer Vorwurf: KPMG hat z.B. das Mandat Varengold Inv.Ges gekündigt, statt die CumEx-Risiken in ihren Prüfungsbericht aufzunehmen. Oder das Testat einzuschränken wegen Nichtberücksichtigung der drohenden Steuerforderungen wegen des CumEx-Betrugs.

Die Finanzwende ist sich sicher: Die Wirtschaftsprüfer hätten CumEx verhindern können!

Hier wäre schon längst die Berufsaufsicht der WPK gefordert. Die aber behauptet immer wieder, es gebe keinen Anfangsverdacht. Ist dies der Grund, warum mit Dr. Hasenburg – ein Mitglied aus dem Big4-Verband – unbedingt Vorstand werden musste, um die Berufsaufsicht zu leiten?

Aus dem Vorwurf gegen das IDW lese ich heraus, dass das IDW 2006 die Big4-Prüfer unterstützte und deswegen die geplanten fachlichen Regeln (Einzelfragen zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums) unterblieben sind. Denn die IDW-Neuregelung hätte CumEx verhindert, schreibt Finanzwende.

Finanzwende beschreibt die Rolle der Big4 im CumEx-Raub wie folgt:

„Interne Dokumente und E-Mails, die WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen, zeigen: Sowohl die Steuerfachleute als auch die Wirtschaftsprüfer von KPMG wussten damals genau Bescheid, wie die CUM-EX-Geschäfte des Fonds abliefen und wie hoch das Risiko war, dass die Finanzbehörden später einmal das geraubte Geld zurückfordern. Es ist ein Fall, der stellvertretend für eine ganze Branche zeigt, wie sich die Wirtschaftsprüfer mitunter zu Erfüllungsgehilfen der Firmen machen, die sie eigentlich durchleuchten sollen. Die Grenze zwischen Dienstleistung für den Kunden und Dienst an der Öffentlichkeit scheint fließend zu sein.“

Prüferische Schieflagen aus der Big4-Familie erfuhren wir 2022 wieder nur aus der Financial Times (FT), die auch den zig-fachen Wirecard-Betrug durch ihre Hartnäckigkeit und ihren mutigen Journalisten McCrum aufdeckten.

Über andere Fälle in Deutschland ist wenig bis gar nichts bekannt. Das liegt an der intransparenten Berufsaufsicht.

Auszug aus dem angelsächsischen KMPG-Sündenregister 2022

Die deutsche Presse verwöhnt ihre Leser nicht mit Aufklärungsberichten über die prüferischen Schieflagen in den Big4-Häusern. Wir lesen deswegen die Financial Times, die ihre Leser regelmäßig mit starken und informativen Hintergrundberichten über Big4-Mängel versorgt.

Einige Beispiele:

Die 7 Mrd. Pleite von Carillion 2018 wurde 2022 Berufs-aufsichtsrechtlich sanktioniert. KPMG muss wegen des Carillion-Auditskandals 14 Millionen Pfund Strafe zahlen.

KPMG verteidigt sich auch gegen eine Klage in Höhe von 1,3 Milliarden Pfund von den Insolvenzverwaltern der Carillion. Es wird behauptet, die Wirtschaftsprüfer hätten es versäumt, ordnungsgemäße Nachweise dafür zu erbringen, dass das Unternehmen Gewinne aus langfristigen Verträgen verbucht.

Die Insolvenzverwalter werfen KPMG vor, es versäumt zu haben, von der Geschäftsführung von Carillion unabhängig zu bleiben, und dass der KPMG-Prüfungspartner Peter Meehan “wiederholt Bewirtungen von Carillion und der Geschäftsführung angenommen und angeboten hat” und “die Grenzen der Beziehung zwischen Prüfer und Kunde nicht eingehalten hat”. Schon 2016 sei Carillion insolvent gewesen und nicht erst 2018.

Bei einer weiteren Untersuchung gab es Anfang 2022 für KPMG-Prüfer Geldstrafen und mehrjähriges Berufsverbot wegen Irreführung der Inspektoren (Dokumente aus der Prüfung Regenersis wurden rückdatiert).

KPMG bekam 2022 eine Geldstrafe von 3 Mio. Pfund wegen der fehlerhaften Prüfung des zusammengebrochenen Spirituosenhändlers Conviviality.

Grund: KPMG-Prüfer zeigten bei der Prüfung zu wenig kritische Grundhaltung und holten nicht genügend oder geeignete Prüfungsnachweise ein. Auch mangelte es an der Doku. Die Risiken falscher Angaben wurden auch nicht überarbeitet. Die verantwortliche Wirtschaftsprüferin wurde verwarnt und mit einer Geldstrafe von 80.000 GBP belegt.

Wegen schlampiger Prüfungen von Unternehmen wie Conviviality PLC, Silentnight Group und Ted Baker PLC wurde KPMG zu Geldstrafen in Höhe von mehreren Millionen Pfund verurteilt.

KPMG darf in Abu Dhabi keine neuen Wirtschaftsprüfungsaufträge mehr annehmen, Grund: Die Aufsichtsbehörden haben KPMG von der Liste der Wirtschaftsprüfer gestrichen, die die Jahresabschlüsse von Unternehmen abzeichnen dürfen.

Der Schritt der Abu Dhabi Accountability Authority erfolgt nur wenige Wochen, nachdem eine andere Aufsichtsbehörde in Dubai KPMG und einen ihrer ehemaligen Partner wegen Versäumnissen bei der Prüfung von Abraaj, der 2018 zusammengebrochenen Private-Equity-Gruppe für Schwellenländer, zu einer Geldstrafe von 2 Mio. USD verurteilt hat.

Mitte Januar 2023 soll dann die Spruchkammer der APAS über die EY-Wirecardprüfung befinden. Bekommen wir also auch bei uns noch transparente Informationen, wie die Aufsichtsbehörden entschieden haben?

Die Reihe „Sündenregister“ wird also fortgesetzt.


Bildnachweis: Andrey_Popov/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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