wp.weekly: “Abschlussprüfung ist keine Einbahnstraße”
Berufspflichten
Kategorie: Aktuelles | WPK
Datum: 03.02.2023

Die „Prüfungsverweigerung Adler“ seitens der großen Prüfungshäuser beschäftigt uns weiter. Letzte Woche brachte Dr. Wittsiepe aufklärende Hinweise in die Diskussion ein. Heute schreibt sich unser WP-Kollege Roland Kruse-Kraft den Frust über die fahrlässigen Äußerungen unseres Kammerpräsidenten Andreas Dörschell von der Seele. Er betrachtet die Stellungnahme von Herrn Dörschell, insbesondere im Lichte unserer Berufspflichten. 

Wir wünschen Roland Kruse-Kraft, dass die Therapie bald im gesamten Berufsstand Wirkung zeigt. Wir meinen, dass die Berufspflichten auch für Präsidenten gelten. Big4-Gesellschaften zur Seite springen, ist keine. Dies kann das IDW als Verband machen, aber doch nicht der WPK-Präsident, der den gesamten Berufsstand vertreten muss.

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Persönliche Anmerkung zur Pressemitteilung

“Abschlussprüfung ist keine Einbahnstraße” vom 20.01.2023 (kurz: PM)
(s. WPK-Newsletter vom 02.02.2023)

von Roland Kruse-Kraft
Mitglied bei wp-net e.V.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kollege Dörschell,

Ihre o.g. Pressemeldung (PM) gegen einen möglichen Kontrahierungszwang bei der richterlichen Auftragserteilung lässt mich zweifeln, ob wir beide zum selben Berufsstand gehören – ich zumindest kenne ganz andere Berufspflichten als Sie.

Nicht nur stellen Sie Behauptungen und politische Parolen auf, ohne diese fachlich mit der WPO oder Berufssatzung zu hinterlegen. Eine fachliche Begründung, zumindest auf diesem Niveau, sollte unseren Berufsstand – zumal bei Veröffentlichungen – doch als Qualitätskriterium auszeichnen. Sie aber bleiben in Ihren Äußerungen nebulös und verstoßen meiner Meinung nach zumindest gegen die Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit (§ 43 I WPO) und gegen die kritische Grundhaltung (§ 43 Abs. 4 WPO) .

Kein Wort über die hoheitliche Vorbehaltsaufgabe der Wirtschaftsprüfer (§ 316 ff HGB), mit der wir in der Tat mit den Notaren vergleichbar sind und dass bei ordentlicher Prüferarbeit keinerlei Haftung zu befürchten ist. Unsere Arbeitspapiere sind immer noch Beweis / Urkunden im Prozess. 

Woher nehmen Sie die Behauptung, dass es einen „ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nach Kooperation in der Abschlussprüfung“ gebe? Ich kenne nur sechs Grundpflichten gem. § 43 I und IV WPO und das sind: Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Verschwiegenheit, Unparteilichkeit und seit 2016 die kritische Grundhaltung. 

Diese sollen wir beachten und sonst gar nichts!

Gerade unser Grundprinzip der „kritischen Grundhaltung“ ist lt. Prof. Naumann vom IDW „das Prüfer-Gen“ schlechthin und fordert doch von uns WPs in kritischer Distanz zum Prüfungsobjekt zu stehen und nicht – wie auch immer – mit diesem „zu kooperieren“.

Auch der Verweis auf nicht vorgelegte „800.000 E-Mails“ ist fachlich nicht nachvollziehbar. Verständlich wäre gewesen, wenn die Fa. Adler z.B. keine Saldenbestätigung hätte durchführen lassen oder ihre Bankkonto-Auszüge nicht gezeigt hätte. Aber was für ein Prüfungsnachweis soll denn überhaupt eine E-Mail sein und worin erkennen Sie hier ein Prüfungshemmnis?

Wir alle kennen Mandanten, die Nachweise nicht liefern (wollen). Aber wenn uns dieser nach einem Versagungsvermerk auch weiter beauftragt, dann ist bei der Folgeprüfung – wenn eingeforderte Prüfungsnachweise nicht geliefert werden – doch mit dem nächsten Versagungsvermerk zu rechnen. Wo liegt überhaupt das Problem von KPMG, der Sie so eilfertig zur Seite springen?

Ich widerspreche hiermit in aller Form dieser, von Ihnen im Namen des gesamten Berufsstandes veröffentlichten PM und bin über die Substanzlosigkeit erschüttert. So sorgen Sie für weiteren Vertrauensverlust in unseren, sowieso schon durch zunehmende Schlechtleistung der großen Prüfungs-Konzerne, schwer „angeschlagenen“ Berufsstand.

Ich sehe in Ihrer PM einen hektischen Versuch zur Verteidigung von KPMG (und somit BIG4) und das hat mit einer seriösen Vertretung unseres Berufsstandes rein gar nichts zu tun. Bitte stimmen Sie sich bei Ihrer nächsten Veröffentlichung wenigstens fachlich mit dem IDW, zu dem Sie ja eine große Nähe haben, ab – vielleicht können die ja beim nächsten Mal Schlimmeres verhindern …

Mit kollegialem Gruß

Roland Kruse-Kraft

 


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Bildnachweis: Panchenko Vladimir/Shutterstock

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