Wenn frisch testierte Bankbilanzen zig. Mrd. an Staatsgeldern brauchen
Bankenkrise
Kategorie: Big4 | WP in den Medien
Datum: 24.03.2023

Die jüngsten Abstürze im Finanzsektor (Credit Swiss von PWC geprüft, die Silicon Valley Bank und die Signature Bank prüfte KPMG) wecken schlimme Erinnerungen an 2008. Ein Jahr nach dem Beginn der Subprime-Krise 2007 begann 2008 mit dem Lehman-Absturz die Finanzkrise.

Die Subprime-Krise hatte ihren Grund in den mangelhaft transparent strukturierten Finanzprodukten (so KPMG-Chef Klaus Becker im Vorwort der Mai-Ausgabe 2008 der IDW-Zeitschrift WPg). In diese Finanzprodukte „investierten“ vor allem öffentlich-rechtliche Banken, um gut verzinsliche „Schrottpapiere“ zu bekommen. 

Der HRE-Bundestagsuntersuchungsausschuss im Sommer 2009 brachte Erstaunliches ans Licht. Der HRE-Abschlussprüfer der KPMG gab sich mit Plausibilisierungshandlungen zufrieden. Außer wp-net regte sich niemand darüber auf, mangelhaft transparenten Finanzprodukte durch Plausibilisierung die Werthaltigkeit zu bestätigen. Auch der Bundestagsuntersuchungsausschuss fragte beim KPMG-Prüfer nicht nach: „Wie konnten Sie mit etwas, was man nicht sieht und was man nicht kennt, einen Plausibilisierungstest machen?“ Warum traute sich KPMG, die CDO-Wertansätze mittels Plausibilisierung zu prüfen und für werthaltig einzustufen

Der KPMG-Prüfer wurde bei seiner Wertfindungsstrategie vom IDW PS 300 Tz. 10 unterstützt: “Der Abschlussprüfer wird sich im Regelfall auf Prüfungsnachweise verlassen müssen, selbst wenn diese eher überzeugend als zwingend sind …” Den überzeugenden Prüfungsnachweis als Vergleichsmaßstab entdeckten die Bankenprüfer wohl in den von Ratingagenturen gekauften Tripple-A-Bewertungen. 

Die hinreichende Prüfungssicherheit des Prüfers blieb für uns bis heute das große WP-Rätsel. Dr. Werner Krommes führte zur Prüfung dieser Finanzprodukte im wp-net-Interview (wp.net-Magazin 2009, S. 46) aus: „Um diese Systeme prüfen und ihre Qualität beurteilen zu können, war neben besonderem Expertenwissen auch ein großer Zeitaufwand erforderlich, ein Rahmen also, der das bisherige Maß deutlich überstiegen hätte und demgemäß auch nicht budgetiert werden konnte. Meines Wissens hat keine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (weder in Europa noch in Übersee) auf die hohen Risiken hingewiesen, die sich aus dem Engagement in strukturierte Wertpapiere ergeben können.“ 

Mit den Risiken sind wir nun bei den jüngsten Fällen in der Schweiz und USA angekommen. In den FT-Artikeln haben wir danach gesucht, ob und wie die Abschlussprüfer 2023 der Redepflicht nachgekommen sind. 

Black Rock wusste wohl schon Jahre vorher, wie es um die SVB stand

Die Silicon Valley Bank (SVB) wurde seit 1994 ununterbrochen von KPMG geprüft und zuletzt wieder mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk „geadelt“. Nur 14 Tage nach Testatserteilung führte der Run auf die Bankguthaben zum Eingreifen des Staates und zum Niedergang der SVB. 

Die Berater der FMA Group von Black Rock spielten ab 2021 bei der SVB verschiedene sinnvolle Risiko-Szenarien durch: Wie wirken sich Zinssteigerungen und allgemeine Änderungen von makroökonomischen Bedingungen auf die SVB-WP-Portfolios und damit auch auf das Eigenkapital und die Liquidität aus? 

Viele Szenarien wurden durchgespielt, mit Zinserhöhungen von 100 bis 200 Basispunkten. „Nicht berücksichtigt wurde jedoch, was mit der SVB-Bilanz geschehen würde, wenn es zu einem stärkeren Zinsanstieg käme. Wie dies mit der raschen Anhebung des Leitzinses auf 4,5 Prozent durch die Federal Reserve im vergangenen Jahr geschah. Die Zinssätze waren lange auf einem Tiefstand und lagen seit 2008 nicht mehr über 3 %.“ 

Die Zocker sind auf dem Finanzmarkt zurück

Der neue CFO der SVB setzt ab 2018 seine neue Strategie um. Bislang wurde Vermögen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten in den Büchern gehalten. Nun stellte man auf Schuldtitel mit einer Laufzeit von 10 und mehr Jahren um. Dies steigerte wohl die Rendite. Aber ein 91 Mrd. $ schweres Portfolio (vor dem Ende SVB) mit einem Zinssatz von 1,64 % war eine schwere, zu schwere Hypothek in einer Zeit, in der die FED die Zinsen schnell anzuheben gedachte und auch praktizierte. 

Das neue SVB-Geschäftsmodell zielte auf die Steigerung der Quartalserträge durch Anhebung der Renditen bei den eigenen Wertpapieren. Vermutlich deswegen, weil sich der Erfolg auch im Einkommen der Vorstände niederschlägt. Der CEO von SVB hat in den zwei Jahren vor der Pleite für 30 Mio. $ SVB-Aktien verkauft, schreibt FT.

Riesenfreude mit dem neuen Geschäftsmodell

Die Strategieänderung hat bei der SVB die EK Rendite 2017 von 12,4 % auf 16 % in den Jahren 2018 bis 2021 gesteigert. Die Bankleitung genoss die hohen Nettozinserträge und drückte die Risiken des Geschäftsmodells in Zeiten schnell steigender Zinsen zur Seite.

Die Berater FMA von Black Rock warnten Anfang 2022 die SVB „dass ihre Risikokontrollen schwach seien, wesentlich schlechter als bei den Konkurrenten“. „Die SVB blieb bei 11 von 11 untersuchten Faktoren hinter vergleichbaren Banken zurück und bei 10 von 11 Faktoren schnitt SVB deutlich schlechter ab.“ Ganz krass die Feststellung, dass die SVB nicht in der Lage war, „weder in Echtzeit noch wöchentlich den Wert ihres Wertpapierportfolios festzustellen“.

Das ausgeblendete, aber nicht ausgebliebene Desaster

Der Fokus auf die hohen Nettozinserträge machte die Leitung (wohl) blind für das Risiko (schnell) steigender Zinssätze. Eine Flut von Anlagegeldern von Tech-Unternehmen und Risikokapitalfirmen landeten im Laufe der Zeit in Form von langfristigen Hypothekenpapieren mit niedrigen Renditen in die Bücher der SVB. Steigende Zinssätze senken den Wert der Anleiheportfolios. In Folge kommt es noch zu erheblichen Einlagenabflüssen (Abhebungen). Dazu wird dann der Staat gerufen.

Was wussten die KPMG-Abschlussprüfer über die Risiken in der SVB-Bilanzen?

US-KPMG Chef Paul Knopp stellt gegenüber der FT vom 14.3.2023 fest: “Wir haben alle professionellen Standards eingehalten”. Und legt nach: Bei beiden (das KPMG-Mandat Signature Bank war auch in Schieflage) Prüfungen wurden alle Fakten berücksichtigt, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Berichte vorlagen. Die “marktgetriebenen” Ereignisse und “unvorhersehbare” Reaktionen der Kunden waren nicht vorhersehbar. Warum holt man hier die „Erwartungslücke“ aus der Mottenkiste? Ist die Meinung des KMPG-Chefs belastbar? 

Trotz der KPMG-Beteuerungen werden Stimmen laut, die die Aufsichtsbehörden auffordern, die Rolle der KMPG zu untersuchen. Es geht um Fragen, ob die Finanzberichte von SVB und Signature Bank das inhärente Konzentrationsrisiko in ihren Bilanzen angemessen widerspiegeln.

Mit welchen Prüfungsnachweisen hat der Abschlussprüfer seine Annahme, dass im SVB-Abschluss keine erheblichen Zweifel an der Überlebensfähigkeit von SVB im nächsten Jahr bestehen würden, belegt? Der Bestätigungsvermerk müsste in einem solchen Fall eine Warnung vor der Fortführung des Unternehmens enthalten.  Wir bleiben weiter am Ball und hoffen auf Antworten zu Fragen wie:

  • Hat KPMG den Black Rock-Beratungsbericht 2022 ausgewertet? 
     
  • Waren die Risikomängel bis Ende 2022 beseitigt, oder kamen neue Risiken hinzu?
     
  • Welche Schlussfolgerungen hat KPMG für die weitere Prüfung und für ihr 
    Prüfungsurteil gezogen?

Hausaufgaben für transparentere Finanz-Abschlüsse blieben liegen

Nun kommt noch Brooke Masters, Redakteurin bei FT, zu Wort. Ihre Feststellung: „Eine bessere Berichterstattung zu fordern ist einfacher, als den Sonntagsreden Taten folgen lassen“. 

Regulatoren wollen die Fair Value Bewertung bei den langlaufenden Wertpapieren einführen, um die Wertänderungen früher zu erkennen. Um die Zocker zu bändigen, sollen Auszahlungen von Boni oder Vergütungen blockiert werden. Wir stimmen Brooke Masters zu: Nach solchen Schäden begeistert man sich gerne auch über neue Rechnungslegungsregeln. In der Realität kommt meistens nichts davon an. Hier kann der WP-Berufsstand über das große EU-Scheitern berichten. Was wollte Kommissar Michael Barnier ab 2011 nicht alles bei Big4 ändern? Weder der EU, noch der deutsche Gesetzgeber haben ihre Hausaufgaben bei der Big4-Regulierung 2011-2016 gemacht. Die kleinen Praxen wurden vom BWMI(K) für die Mängel der Bankenprüfer bestraft. 

Bankenprüfungen gehören zu den Prüfungen mit einem außergewöhnlich hohen Komplexitätsgrad an Risikomanagementsystemen. Der Bericht von Black Rock wies auf große, bislang nicht beachtete Risikofelder aufgrund einer möglichen Zinswende, hin. Aber was nützt dies alles, wenn der Vorstand von den Beratern über die Risiken zwar aufgeklärt wurde, der Vorstand diese Zinsrisiken in den Wertpapierportfolios weder steuert noch überwacht?

Wir meinen: Die Einhaltung der professionellen Prüfungsstandards, von denen der US-KPMG-Chef spricht, nützt dem Prüfer überhaupt nichts, wenn die Prüfer auf der falschen Baustelle prüfen oder die Berufspflichten nicht kennen. 

Wir werden also die nächsten Financial Times auswerten und bei weiteren Berichten über die SVB diese Berichterstattung fortsetzen.

Hier erhalten Sie die Links zu den drei FT-Artikeln, die ich für den Bericht herangezogen habe:

KPMG hält an den Testaten für Silicon Valley (SVB) und Signature Bank fest (Stephen Foley and Gillian Tett, New York, 14.03.23)

BlackRock warnte die Leitung, dass die Risikokontrollen schwach waren (Antoine Gara and Brooke Masters, New York, 18.03.2023) und der 

Kommentar von Brooke Masters zum Thema „Banker accountability is easier to demand than deliver“ vom 22.03.2023. 


Hat Ihnen der Artikel gefallen?
Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie die neuesten Beiträge zuerst!

Bildnachweis: Golden Dayz/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

MITGLIED
WERDEN