WP Blindflug mit der Nachhaltigkeit
Abschlussprüfervertreibung CSRD
Kategorie: WP in den Medien | WPK
Datum: 02.06.2023

Ende letzten Jahres startete die EU-Bürokratie mit der CSRD-Richtlinie unserer Meinung nach die Marktbereinigungsaktion 2.0 im WP-Mittelstand. 

Manche werden sich noch an den „Aufstand“ der EU-Kommission 2010-2014 gegen die Fehlleistungen der Big4 im Vorfeld der Finanzkrise 2008 erinnern. Die Prüfung der Mrd.-hohen und mangelhaft transparent strukturierten Produkte (CDOs u.a.) wurden mittels Plausibilisierung für werthaltig befunden und uneingeschränkt testiert. Damit versagte wieder einmal die Wirtschaftsprüfung als Schutzherr der Jahresabschlüsse. Der IDW PS 300 lies damals noch die Plausibilisierung als Prüfungsnachweis zu, die WP-Berufspflichten (z.B. die Gewissenhaftigkeit oder die kritische Grundhaltung) aber nicht.

Der mächtige EU-Binnenkommissar Michel Barnier plante ab 2010 als Antwort darauf, die Prüfungsqualität der Big4-Gesellschaften von Grund auf zu reformieren. Ein weiteres Ziel war, die Big4-Marktbeherrschung zu Gunsten des WP-Mittelstands einzudämmen. Lesen Sie mehr zu den Hintergründen in unserem wp-net-Magazin 2011.

10 Jahre später sind wir um viele Erfahrungen zur Regulierung der Big4 reicher. Auch Barnier musste akzeptieren: Gegen die Big4 mit ihren Unterstützern aus dem Reich der Lobbyisten kommt selbst die mächtige EU-Binnenmarktkommission nicht an. Der Handelsblatt-Korrespondent Dieter Fockenbrock beschreibt die Situation von Barnier in der HB-Ausgabe vom 19.12.2013 wie folgt: „Barnier ist als wilder Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.“

Einzelne EU-Staaten nutzten ab 2015/2016 bei der Umsetzung der Richtlinie die vielem Wahlrechte. Big4&Friends kamen trotz der Mängeltestate im Vorfeld der Finanzkrise fast ungeschoren davon. Danach lief das Big4-Geschäftsmodell „Professional Service Firm“ zu neuer Höchstform auf. Die Wirtschaftsprüfer der Einzelpraxen und des Mittelstands erlebten mit der APAS ihr “blaues Wunder”. Neben einer verschärften Qualitätskontrolle mischte die Letztaufsicht auch in der Direktaufsicht mit. Jeder Qualitätskontrollbericht wurde bei der APAS eingereicht. Bis 2022 haben 1/3 (rund 1.500 Praxen) der gesetzlichen Abschlussprüfung den Rücken gekehrt und stehen den prüfungspflichtigen KMU-Unternehmen als kenntnisreiche Abschlussprüfer nicht mehr zur Verfügung. Dagegen wurde der QK-Zeitraum bei den PIE-Prüfern von drei auf sechs Jahre ausgedehnt. Die Auftragsprüfung der Qualitätskontrolle bei den Big4 selbst war und blieb eine sog. “ausgeweitete Nachschau”.

Weitere WP-Marktbereinigung mit der EU-CSRD-Richtlinie: Nachhaltigkeitsprüfung als Vorbehaltsaufgabe des Abschlussprüfers

Wieder kam der Startschuss mittels einer Richtlinie aus Brüssel. Die CSRD-EU-Richtlinie 2022/22464 des EU-Parlaments und des Rates wurde den EU-Mitgliedstaaten Ende 2022 zur Umsetzung überreicht. Die EU-RL legt fest, dass die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung als Vorbehaltsaufgabe den Wirtschaftsprüfer übertragen werden soll. IDW und WPK jubeln auf. Die WPK begrüßt in öffentlichen Stellungnahmen diese Lösung:

„Für die WPK ist diese Lösung auch nicht mittelstandsfeindlich. Eine weitere Konzentration auf dem Prüfermarkt sehen wir nicht. Die Abschlüsse der in Deutschland zukünftig in der Nachhaltigkeitsberichterstattung prüfungspflichtigen Unternehmen werden von der gesamten Breite des mittelständisch geprägten Wirtschaftsprüferberufs geprüft. Es ist davon auszugehen, dass der bestehende Abschlussprüfer der erste Ansprechpartner dieser Unternehmen auch für die Nachhaltigkeitsprüfung sein wird.”

Folgen aus dem Blindflug der EU-Administration

Die nationale Reform 2014/2016 kann man als Blaupause für den zweiten Teil der Marktbereinigung in Deutschland heranziehen. Die EU-Kommission lieferte mit ihrer Richtlinie 2022 – analog 2014 – wieder die Steilvorlage für die EU-Mitgliedsstaaten zur WP-Marktbereinigung. Diesmal im Mittelpunkt: Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung als Vorbehaltsaufgabe für die Jahresabschlussprüfer.

Nun bastelt – jeder EU-Staat für sich – an einer nationalstaatlichen Lösung. IDW und WPK machten sich von Anfang an für die Vorbehaltsaufgabe als Doppelprüfung stark: Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte nur durch den Abschlussprüfer.

Zum Start sind vorerst nur die Börsenunternehmen zu prüfen. Im weiteren Zeitablauf kommen dann die Unternehmen der öffentlichen Hand hinzu. Noch kann man nichts darüber erfahren, wann der übrige Mittelstand geprüfte Nachhaltigkeitsberichte abliefern muss. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die KMU-Unternehmen auch Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen. Dann werden auch die KMU-Unternehmen aus dem Nicht-Börsensegment die geprüften Nachhaltigkeitsberichte brauchen. Bleibt es bei der Vorbehaltsaufgabe, dann muss sich der Abschlussprüfer entscheiden: Will er sich für die Nachhaltigkeitsprüfung 8 Monate lang qualifizieren? Tut er dies nicht, dann darf er auf Basis Status Quo auch die Jahresabschlussprüfung nicht mehr durchführen.

Für uns ist damit klar:
Mit der Umsetzung dieser Steilvorlage aus Brüssel wird der WP-Mittelstand vom Abschlussprüfermarkt sehr wahrscheinlich fast ganz verschwinden.

Nur wenn sich die freiberufliche WP-Praxis für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte qualifiziert, darf sie dann weiter die Jahresabschlüsse prüfen. Machen die kleinen Prüferpraxen bei der Nachhaltigkeitsprüfung nicht mit, dann müssen sie zukünftig auch der Abschlussprüfung den Rücken kehren. Dies ist die vernichtende Kehrseite der (WP-Vorbehalts) Medaille. Über diese Folgen kann man in den Eingaben des IDW und der WPK nichts lesen. Im Gegenteil: Die WPK sieht keine Konzentrationsgefahr und die Abschlussprüfer werden sich alle für die Nachhaltigkeitsprüfung qualifizieren! In diesem Zusammenhang wird man auch den Art.12 GG (Berufsausübungsfreiheit) intensiver studieren müssen.

Blindflug der Vertreter der kleinen und mittleren WP-Praxen im WPK-Vorstand

Der WPK-Vorstand spricht sich dafür aus, die EU-Richtlinie mit der Vorbehaltsaufgabe ohne Wenn und Aber zu übernehmen. Wir fragen uns, wo blieben im 13-köpfigen VPK-Vorstand die Stimmen der kleineren WP-Praxen für den Fortbestand der KMU-Abschlussprüfer? Es gab anscheinend auch von deren Seite keine Einwendungen gegen die zweite Stufe der KMU-WP-Vertreibung aus dem Prüfermarkt.

Die Nichtausübung des EU-Wahlrechts (Aufteilung in Abschlussprüfung und Nachhaltigkeitsprüfung) ist extrem mittelstandsfeindlich. Denn die EU-Richtlinie verknüpft die Abschlussprüfung mit der Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts. Entweder beide Prüfungen oder keine – Damit wird nach unserer Beurteilung wieder eine größere Zahl an Abschlussprüfern aus der Abschlussprüfung ausscheiden! Die Abschlussprüfung ist damit kein sicherer Hafen mehr für die WPs aus dem WP-Mittelstand. wp-net hat sich gegen die von der EU-RL vorgesehene Vorbehaltsaufgabe für den WP in Bezug auf die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte ausgesprochen. Wollen Sie mehr dazu erfahren?

Hier kommen Sie zu unserer aktualisierten Eingabe an die Ministerien der Justiz, Finanzen und Wirtschaft und Klimaschutz.

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Abschlussprüfervertreibung 2.0. wp.weekly 02.06.2023.



Bildnachweis: Chor muang/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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