wp.weekly: Weiterer Wirrwarr bei der BV-Adressierung!
Adressaten-Wirrwarr
Datum: 24.07.2023

Die Nicht-Adressierung des Bestätigungsvermerks geht in die zweite Runde.

Die Reaktion der WPK-VOBA auf unseren Newsletter ließ nicht lange auf sich warten. WP/StB/RA Holger Friebel stellt unsere Sicht der Dinge im heutigen wp.weekly nochmals klar.

Dieses und noch viel mehr zum Adressierungszwang seitens der Kammer erfahren Sie demnächst in einem umfassenden Aufsatz. Dabei gehen die Autoren auch auf die 180-Grad-Wendung des IDW (und der WPK) in der Adressierungsfrage ein und was die Beweggründe dafür sein könnten.

Nach unserer Beurteilung hat die WPK-VOBA nicht die Vertretung des gesamten Berufsstandes im Blick, daher werden die Autoren nach anderen Motiven Ausschau halten.

Wir gehen weiter davon aus, dass bis zu einer bindenden Klärung durch den Standardsetter oder durch ein deutsches Gericht die WPK das Meistbegünstigungsprinzip gegenüber Ihren Mitgliedern wahren wird. Sie muss beide Interpretationen akzeptieren und kann das Fehlen der Adressatenangabe in keinem Fall monieren.

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Mit der Nicht-Adressierung des Bestätigungsvermerks auf “Verfolgungsjagd nach widerspenstigen Berufsangehörigen”

von Holger Friebel
Mitglied bei wp-net e.V.

In einem Juni wp.weekly informierten wir Sie, dass ISA-Anwender Ärger mit der WPK-Berufsaufsicht „Abschlussdurchsicht“ bekommen, wenn der Bestätigungsvermerk keinen Adressaten hat. Aus diesem Grund wenden wir uns heute nochmals an die Öffentlichkeit, um die ISA-Anwender an unseren Argumenten gegen die zwingende Adressierung teilhaben zu lassen.

Weder die feste Überzeugung des WPK-VOBA Chefs, noch die von dessen Mitarbeitern im Amt reichen aus, uns von der WPK-Forderung nach Angabe des Adressaten im Bestätigungsvermerk zu überzeugen.

Unser erstes Argument: Klare Aussage im ISA 700.50 gegen die Adressierung

Die VOBA behauptet, dass nach ISA 700.50 die Adressierung als unverzichtbarer Mindestbestandteil eines ISA-konformen Bestätigungsvermerk vorzunehmen ist. Ganz im Gegenteil: ISA-700.22 in Verbindung mit ISA 700.50 verlangen nur dann eine Adressierung des Bestätigungsvermerks, wenn dies nach den Umständen des Auftrags erforderlich ist. Danach müsste beispielweise das Auftragsbestätigungsschreiben die Pflicht zur Adressierung enthalten.

Denn ISA 700.50 Buchst. (b) verdrängt (im deutschen Rechtsraum) die Textziffer 22 des ISA 700 vollständig. Der unverbindliche ISA-Anwendungshinweis 700.A71 (Häfele/Weigold in „Die risikoorientierte Abschlussprüfung nach den ISA“, NWB Verlag GmbH & Co KG, erschienen 2016, hier Seite 24, TZ 46 mit weiteren Nachweisen) empfiehlt lediglich die freiwillige Anwendung, wenn im maßgeblichen Rechtsraum (hier der deutsche) den ISA 700.21 bis ISA 700.49 konkret widersprechenden Regelungen fehlen.

Die VOBA-Interpretation, dass nur das Bestehen einer abweichenden Regelung zur Adressierung in einem Rechtsraum die Anwendung des ISA 700.50 lit. b) ermöglicht, ist eine stark einengende Auslegung des Wortlauts des ISA 700.50, die von uns nicht geteilt wird. Denn ISA 700.50 fordert hier keine konkret entgegenstehende Regelung, sondern nur das Bestehen irgendeiner Regelung zum Wortlaut oder Aufbau des Bestätigungsvermerks.

Die Frage nach der Erforderlichkeit der Adressierung ist nur mit ja oder nein zu beantworten. Fällt die Erforderlichkeit weg, dann muss auch nicht adressiert werden. Diese fällt weg, wenn keine Adressierung im Auftragsschreiben vereinbart worden ist, da das Gesetz im deutschen Rechtsraum keine Pflicht zur Adressierung vorsieht. Nach ISA 700.50 (b) ist also die Adressierung nicht zwingend, wenn sie weder der Auftraggeber noch der Auftragnehmer verlangt.

Unser zweites Argument: Europa lebt nach Grundsätzen und nicht auf Basis „Case-Law“

Mit den vier Beispielen aus ISA 700 kann keine allgemeingültige Pflicht zur Adressierung erreicht werden. So hat das Beispiel 4 zu ISA 700 keinen konkreten Adressaten und setzt den „Appropriate Addressee“ in Klammern. Damit kann der „Required Addressee“ aus ISA 700.50 nicht gemeint sein. Das Feld bleibt leer, der Bestätigungsvermerk unadressiert.

Die übrigen Beispiele für Bestätigungsvermerke adressieren ausnahmslos an die Anteilseigner. Zum Teil steht der Klammerzusatz „or Other Appropriate Addressee“ dahinter, aber nie der geforderte Adressat „(Required Addressee)“ im Sinne von zwingendem Adressaten. Keines der Beispiele fordert also eine Adressierung im Anwendungsbereich des ISA 700.50 und empfiehlt schon gleich gar nicht eine Adressierung an das Unternehmen.

Im Übrigen gilt in Europa das Code Law (z.B. HGB). Dies sind auslegungsbedürftige Generalregelungen. In angelsächsischen Rechtsgebieten herrscht das Case Law. Dort könnte man mit den Beispielen zum Bestätigungsvermerk vielleicht Rechtsgeschichte schreiben.

Drittes Argument: Bestätigungsvermerk als notwendige öffentliche Kapitalmarktinformation i.S.d. § 1 KapMuG

Die Anteilseigner gehören zu einem gänzlich anderen Kreis als die Führungspersonen im Unternehmen (GF/Vorstand, Aufsichtsrat). Mit der Adressierung an die Anteilseigner wendet sich die Adressierung an die Öffentlichkeit. Diese Maßnahme macht Sinn, im Gegensatz zur Unterrichtung des internen Personenkreises. Denn diese interne Gruppe hat den Jahresabschluss aufgestellt und weiß um den Inhalt. Im Gegensatz zum externen Anteilseigner, der mitunter als Aktionär gar kein Einsichtsrecht in die Bücher hat. Diese Gruppe erfährt erst durch den Bestätigungsvermerk, ob der Abschluss ein zutreffendes Bild der Unternehmenslage vermittelt oder nicht.

Nicht zuletzt deshalb wurde der Bestätigungsvermerk vom OLG München bei der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals als öffentliche Kapitalmarktinformation iSd § 1 KapMuG eingestuft. Mit seinem Testat bestätigt der Abschlussprüfer als „Garant der öffentlichen Rechnungslegung gegenüber der Allgemeinheit“, dass der Abschluss mit den Rechnungslegungsvorschriften und den gesellschaftsvertraglichen Vorschriften übereinstimmt (BeckOGK/Bormann, 15.11.2020, HGB § 316 Rn. 5). OLG München, 13 U 9056/21 vom 20. Mai 2022, abrufbar über folgenden Link.

Dieser Ansicht ist uneingeschränkt zuzustimmen, denn die Abschlussprüfung wurde 1931 eingeführt, um das am schwarzen Börsenfreitag 1929 verlorene Vertrauen der Investoren in die Aktienmärkte wiederherzustellen. Unternehmensinterne Argumente mussten hintenanstehen.

Wenn also bekannt ist, an welche Kreise sich der Bestätigungsvermerk richtet, ist die Adressatenangabe hinfällig.

Viertes Argument: VOBA-WPK präsentiert sich uns als der verlängerte Arm des IDW

Auch das vierte Argument zu einer Adressierungspflicht findet kein Gehör. Nach Meinung der VOBA kann man aus der im HGB fehlenden Vorgabe der Adressierung den Schluss zu ziehen, dass eine Adressierung nach deutschem Recht zulässig wäre. Damit vertritt die VOBA den Grundsatz, was nicht explizit untersagt ist, ist grundsätzlich immer erlaubt, bzw. ist zwingend.

Fakt ist, dass die Adressierung nach den IDW-Prüfungsstandards bis 2018 nicht nur nicht geboten, sondern konkret verboten war. Der IDW PS 400 Tz. 22 verlangte bis 2018: „Es ist daher nicht sachgerecht, den Bestätigungsvermerk zu adressieren.“

Argument war damals die noch heute vom OLG München geteilte Ansicht über den Adressatenkreis. Und die Kammer-VOBA ist dieser Ansicht über Jahrzehnte ohne Einwendungen gefolgt und hat Adressierungen moniert!

Auch die historische Auslegung führt nicht zu dem von der WPK-VOBA gewollten Ergebnis. Der bis 2016 geltende ISA 700.22 (2009) lautete: „The auditor´s report shall be addressed as required by the circumstances of the engagement. (Ref: Para. A16)“. Und die zugehörige Kollisionsnorm ISA 700.43 lit. b) (2009) lautete damals: „(b) An Addressee, as required by the circumstances of the engagement.” Dieses Wording besteht bis heute mit dem ISA 700.50 (b) fort.

Ihr

Dipl.-Kfm. Holger Friebel

Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwalt

Diesen Newsletter auch als Videocast anhören und -sehen:

"Adressierungszwang" im Bestätigungsvermerk. wp.weekly 14.07.2023.


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Bildnachweis: sdecoret/Shutterstock

Holger Friebel
Author: Holger Friebel

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