wp.weekly: Gesetzliche Prüfung und Ihre drastischen Folgen beim Übersehen!
Konsequenz bei Missachtung der Größenklasse
Kategorie: Aktuelles
Datum: 28.07.2023

Die Abschlussprüfung startet mit der Größenklasse, andernfalls kann es unangenehm für den Prüfer werden.

Wir wissen, dass die gesetzliche Prüfung erst dann stattfindet, wenn zwei von drei Größenklassen zweimal überschritten werden. Ich selbst hatte vor einigen Jahren einen Fall bei einem Bauträger, bei dem Bilanzsumme und Umsatzerlöse zweimal überschritten wurden. Nach Prüfung der Umsatzerlöse war er nicht mehr prüfungspflichtig, weil sich ein Teil der Umsatzerlöse in Rauch auflöste. Die Ratenzahlungen der Käufer waren als Erlöse gebucht.

Anders herum ist der Fall viel heikler. Der Prüfer hatte die Prüfungspflicht übersehen. Mark Schüttler von PRIMUS 2.0 schildert Ihnen die Folgen aus diesem Fall. Teilnehmer seiner PRIMUS-Sommerfortbildung 2023 sind damit vertraut – und es handelt sich nicht um einen Einzelfall.

Ich hoffe, dass Sie die Prüfung der Größenklassen immer rechtzeitig, mit Beginn der Prüfung, erledigen. Insbesondere dann, wenn die Größenklasse bereits einmal überschritten wurde.

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Fallanalyse: Gesetzliche Prüfung und Ihre drastischen Folgen beim Übersehen!

von Mark Schüttler
Mitglied bei wp-net e.V.

Prüferin Paula Panitz ärgert sich. Sie übersah, dass die Josef Lichtenfeld GmbH, Lüdenscheid, zum zweiten Mal in Folge mittelgroß war und damit prüfungspflichtig. Sie nahm eine kleine Gesellschaft und damit eine freiwillige Prüfung an. Ein Wahlbeschluss war scheinbar nicht nötig.

Die Gesellschaft stellte ihren Anhang nach den Vorschriften für kleine Gesellschaften auf. Nur auf die Aufstellung einer verkürzten Bilanz und GuV wurde verzichtet. Paula erteilte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.

Ein halbes Jahr später lehnt der Bundesanzeiger die Offenlegung ab. Die Gesellschaft ergänzt ihren Anhang und stellt einen Lagebericht auf. Bilanz und GuV bleiben unverändert.

Welche Frage ist zuerst zu beantworten?

Genügt eine Nachtragsprüfung, oder muss Paula eine völlig neue Prüfung machen?

Lösungshinweise

Der alte Abschluss ist aus zwei Gründen nichtig:

1.      Er verletzt gläubigerschützende Vorschriften (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG).
2.      Er wurde nicht geprüft (§ 256 Abs 1 Nr. 2 AktG).

Die Gläubigerschutzvorschriften wurden verletzt, weil der Anhang zahlreiche Pflichtangaben nicht enthält. Vor allem fehlen Angaben, die der Vermittlung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dienen, z.B.:

–              Anlagespiegel
–              Erläuterung der sonstigen Rückstellungen
–              Ereignisse nach dem Schluss des Geschäftsjahres

Der Abschluss wurde nicht geprüft, weil die Mindestanforderungen für eine gesetzliche Prüfung verfehlt wurden. Mindestanforderungen sind u.a.:

–              Bestellung eines Prüfers (1. Wahl, 2. Auftrag)
–              ausreichende geeignete Prüfungsnachweise

Paula wurde zwar beauftragt, aber nicht gewählt. Die Bestellung ist unwirksam. Und die Einstufung als kleine Gesellschaft vermindert die Anzahl der Prüfungshandlungen: Zahlreiche Anhangangaben fallen weg und ebenso ggf. auftragsbezogene Qualitätssicherungsmaßnahmen wie die Berichtskritik. Bei Prüfungen nach § 316 HGB gilt Teil 4 der WP/vBP-Berufssatzung (§§ 45 ff.), für übrige Prüfungen genügt Teil 3 (§§ 28 ff.).

Zudem hat Paula einen falschen Bestätigungsvermerk erteilt. Das Prüfungsurteil zum Abschluss wäre zu versagen gewesen. Und es hätte die Nichtabgabe eines Prüfungsurteiles zum Lagebericht erklärt werden müssen. Insgesamt hätte Paula versagen müssen.

Eine Nachtragsprüfung scheidet aus, da Paula mangels Bestellung nie gesetzliche Abschlussprüferin war.

Vielmehr muss Paula den alten Bestätigungsvermerk widerrufen und ihre Prüfung von vorn beginnen – vorausgesetzt, dass nicht ein anderer Prüfer bestellt wird. Dazu gehören u.a. ein Wahlbeschluss, ein neues Auftragsbestätigungsschreiben, Prüfung des neuen Anhanges und Lageberichtes, Aktualisierung der Arbeitspapiere z.B. auf werterhellende Ereignisse, ggf. Durchführung einer Berichtskritik und Siegelung des Bestätigungsvermerkes.

Fazit: Was können wir aus dieser Geschichte lernen?

Auf die Größe kommt es an! Wer hier irrt, holt sich zahlreiche Probleme ins Haus: nichtiger Abschluss, falscher Bestätigungsvermerk, Ablehnung der Offenlegung sowie neue Aufstellung und Prüfung.

Ihr

WP StB Dipl.-Kfm. Mark Schüttler

Literatur
Schüttler, Verwechslung der Größenklasse, WP Praxis 2023, 227.

Hinweis in eigener Sache: Im 3. Quartal 2023 geht es bei PR1MUS um die neuen ISA (DE) und IDW PS KMU (Tagesordnung)


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Bildnachweis: fran_kie/Shutterstock

Mark Schüttler
Author: Mark Schüttler

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