wp.weekly: BMJ-Referentenentwurf mit IDW/Big4-Kuckuckseiern?
Referentenentwurf
Kategorie: Aktuelles | Big4 | WPK
Datum: 02.04.2024

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 22. März den Referentenentwurf zur EU-CSRD-Richtlinie an die Verbände verschickt.

Wir stehen vor der Frage, ob der Referentenentwurf für uns positive Überraschungen bereithält oder ob IDW&Big4 wieder ihre Interessen durchsetzen konnten. Unsere Befürchtungen ziehen wir aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Dazu erinnere an die letzte große WPO-Reform 2014-2016. Das IDW und die Big4 haben ihren ganzen Einfluss auf die Bundesministerien der Justiz und für Wirtschaft und Energie (heute BMWK) geltend gemacht. Mit den Wahlrechten in der EU-Richtlinie und EU-Verordnung konnten damals Big4-passende Reformen verwirklicht werden. Das Handelsblatt beschrieb die Barnier-Reform so: „Als Tiger gestartet und als Tischvorleger gelandet.“

Erste Auswertungen stellen wir Ihnen nachfolgend vor. Ob die IDW/Big4-Lobbyisten Kuckuckseier im Referentenpapier unterbrachten, können Sie vielleicht schon beim heutigen Überblick erahnen. Wenn Ihre kritische Grundhaltung ein Kuckucksei entdecken sollte, dann lassen Sie es uns bitte wissen.

Hier erhalten Sie den BMJ-Referentenentwurf und dazu die Synopse.

Ihr Michael Gschrei


Am Freitagnachmittag (22.03.2024) veröffentlichte das BMJ den CSRD-Referentenentwurf. Er zählt 181 Seiten + 631 Seiten Synopse, zusammen 812 Seiten! Schon Montagfrüh lud das IDW seine Mitglieder zu einem dreiviertelstündigen Online-Meeting zum Referentenentwurf nebst umfassender PowerPoint-Folien ein.

Vermutlich hatte das IDW schon vorab Zugang zum Gesetzgeber, u.U. die Feder (mit-)geführt. Wir haben beim BMJ zur IDW/Big4-Lobbyarbeit angefragt und werden über die Antwort berichten. wp.net wurde zumindest als Repräsentant der mittelständischen Wirtschaftsprüfer/vereidigten Buchprüfer vorher nicht unterrichtet.
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1) CSRD = “Corporate Sustainability Reporting Directive” der EU-Kommission

Vorangegangene EU-Richtlinienansätze, diese unterstützt vom IDW und WPK, drohten den WP-Mittelstand weiter in der WP-Existenz zu beeinträchtigen, da nach unserer Analyse die Dezimierung der Anzahl der freiberuflichen Prüfer vorprogrammiert werden würde. Über diese Schieflage haben wir letztmals in unserem Newsletter vom Juni 2023 berichtet.

Der neue § 324e HGB bestimmt nun, dass der Abschlussprüfer nicht zwangsläufig auch Nachhaltigkeitsprüfer sein muss. Wirtschaftsprüfer muss der Prüfer aber sein. Die Zuständigkeit der WPK ist für beide Prüfungen damit festgeschrieben.

Der Wirtschaftsprüfer darf, muss aber keine Doppelrolle einnehmen. Ist der Abschlussprüfer auch Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts, muss er im WPK-Berufsregister als Nachhaltigkeitsprüfer registriert sein. Der mittelständische Abschlussprüfer, der nicht als Nachhaltigkeitsprüfer registriert ist, braucht einen zweiten Wirtschaftsprüfer, der als Nachhaltigkeitsprüfer registriert ist. Nur damit kann er dem mittelbaren Ausschluss aus der Abschlussprüfung umgehen!

Die Gefahr, dass der Mandant die Prüfung aus einer Hand bevorzugt, liegt drohend über dem Abschlussprüfer und würde die Prüfungskosten insbesondere für den Mittelstand enorm nach oben treiben. Die 2-Prüferalternative wird damit keine große Zukunft haben.

Die Zulassung anderer Dienstleister zur Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten gilt zunächst nur für Muttergesellschaften in den übrigen EU-Staaten und bestimmten Drittländern. Trotz Bedenken erlaubt der Entwurf deutschen Tochtergesellschaften die Prüfung durch Drittdienstleister. Eine Praxis, die Länder wie Frankreich, Spanien und Italien schon jetzt ermöglichen. Warum bemüht sich Deutschland nicht für die EU-weite einheitliche EU-Lösungen? Dies sieht nach Vorarbeit deutscher Lobbyisten aus. Braucht man in Deutschland also dann in Zukunft die “Nachhaltigkeitsberichtsoasen“?

In den USA und Großbritannien ist die Prüfung durch Service Provider sogar üblich. Richard Wittsiepe fordert deswegen: „Deutsche Unternehmen nicht zu benachteiligen, sondern gleichwertige Optionen schaffen.“

Um mittelständische Wirtschaftsprüfer nicht zu benachteiligen, müsste der deutsche Gesetzgeber zumindest die vorstehend genannte Bevorzugung der Wirtschaftsprüfer als Nachhaltigkeitsprüfer zurücknehmen.

Die Zulassung von Umweltgutachtern als Nachhaltigkeitsprüfer wird von wp.net befürwortet. Deren Fachkenntnisse und Zahl wird jedoch noch als unzureichend angesehen, um die Nachfrage nach fachlicher Expertise für die Nachhaltigkeitsberichtspflicht vieler Unternehmen zu decken.

Die Erweiterung auf weitere unabhängige Dienstleister ist also notwendig, um die Diversität zu fördern und die Position kleiner und mittlerer Wirtschaftsprüfer zu stärken. wp-net fordert die Erweiterung deswegen, da für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte rechtliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse alleine nicht ausreichen dürften.

Dies steht im Einklang mit den KMU-Zielen der EU-Kommission, u.a. das Prüfer-Oligopol der Big4 zu vermeiden und verhindert die weitere Vertreibung der Abschlussprüfer, die nicht als Nachhaltigkeitsprüfer eingetragen sind.

wp-net bewahrt sich eine vorsichtige Zuversicht und erkennt Potenzial für verbesserte Regelungen und hofft, die politisch Verantwortlichen noch vor den ins Nest gelegten “Kuckuckseier” warnen zu können.

Jedenfalls werden wir in der jetzt beginnenden Verbändeanhörung die o.g. Punkte vorbringen, um es auch mittelständischen Kolleginnen und Kollegen weiterhin zu ermöglichen, weiter als Abschlussprüfer tätig zu sein.


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Bildnachweis: Sofiaworld/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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