Forensische Prüfung nicht besser als ihre Prüfer
Prüfung
Kategorie: WP in den Medien
Datum: 05.07.2022

Im Rahmen das EY-Prüfungsdesaster Wirecard wurde die Forderung laut, Betrug könne nur durch forensische Prüfungshandlungen aufgedeckt werden.

wp-net vertritt die Meinung, dass auch bei Betrug, für die Prüfung der Vermögensgegenstände, die allgemeinen Regeln gelten. 

Wenn Betrüger fiktive Umsätze ausweisen, dann muss es auch liquide Mittel in der Bilanz geben. Diese muss man bei Gott nicht wie die Nadel in Heuhaufen suchen, sondern durch Prüfungsnachweise, wie Original-Bankbestätigungen mit Unterschrift eines hohen Bankmanagers. Keineswegs entspricht die Prüfung der Gewissenhaftigkeit, wenn man sich von (windigen) Treuhändern Bankguthaben bestätigen lässt. 

Ergebnis dieser gewissenhaften Prüfung: Die gesetzliche Abschlussprüfung deckt auf Basis der beachteten Berufspflichten als Nebenprodukt den Betrug auf. 

Wenn, wie bei Wirecard, windige Forderungen in Bankguthaben in Mrd. Höhe ausgewiesen werden, dieser Ausweis auch im Anhang nicht einmal erläutert wird, dann bedeutet dies, dass der Prüfer eine schwere Mitschuld am Betrug trägt. Er hat die minimalsten Sicherheitsvorkehrungen missachtet. 

Treuhänderbestätigungen als gleichwertige Bankbestätigungen zu akzeptieren, ist geradezu vorsätzlich. 

Bei Wirecard wurde auch die forensische Prüfung hinter die Fichte geführt.

In der FT am 4.7 wird berichtet, dass Wirecards ehemaliger Top-Buchhalter Dokumente gefälscht hat, um den KPMG-Sonderprüfer einen Nachweis zu liefern: 

Wirecards Chefbuchhalter Stephan von Erffa plauderte gegenüber der Staatsanwaltschaft aus, dass er (ausnahmsweise) anfangs 2020 Dokumente fälschte. Seine Fälschung sollte eine Zahlungsermächtigung an einen Treuhänder zur Überweisung einer 50 Mio. EUR belegen. Diese E-Mail wurde dann an die WPs von KPMG und EY weitergegeben. 

Die KPMG-Prüfer haben dies nicht bemerkt. Die Behauptung von EY, der weltumspannende Betrug lässt sich nur mit einer forensischen Prüfung aufdecken, hat als sog. “Allheilmittel gegen Betrug” für uns einen starken Dämpfer erhalten. 

Damit bleibt festzustellen: So wie die Abschlussprüfer nicht besser sind, als Ihre Prüfer, sind auch die forensischen Prüfer nicht besser, als die Qualität der Forensiker.

Das IDW hat zeitgleich zum FT-Artikel ihren Entwurf eines neuen Wirtschaftsprüfer-Ehrenkodex veröffentlicht. 

Brauchen wir den IDW-Ehrenkodex? Tauchen die Berufspflichten auch im Ehrenkodex auf? 

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Bildnachweis: Andrey_Popov/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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