Gebührenordnung stoppt den Honorarverfall
Gebührenordnung
Kategorie: WP in den Medien
Datum: 26.05.2023

2020 berichtet die FT (im Absatz “Begrenztes Honorar und knapp bemessene Prüfungszeiten”) über unterirdisch niedrige Honorare der deutschen Abschlussprüfer. Die Abschlussprüfer der im Russel 3000 Index gelisteten US-Unternehmen erhalten ein durchschnittliches Honorar von 0,39% des Umsatzes. In Europa liegen diese Quoten im Durchschnitt bei 0,13%. Deutschland ist das Schlusslicht mit 0,09 %, weniger als ¼ der US-Kollegen.

ISA 220 rev. 2019 A37 erinnert die Prüfer daran, „dass ein niedrigeres Honorar die Gefahr in sich birgt, die Prüfung nicht in Übereinstimmung mit den beruflichen Standards durchzuführen“. Dieter Fockenbrock bringt es im Handelsblatt vom 19.12.2013, Seite 27, auf den Punkt: „Faktisch herrscht unter den großen wie kleineren Bilanzprüfern ein gnadenloser Preiswettbewerb. Ihre Dienstleistungen kaufen die Unternehmen inzwischen wie genormte Schrauben ein. Hier liegt viel eher ein Grund für unqualifizierte Bilanztestate. Wer billig einkauft, kann auch keine Top-Qualität erwarten.”

Aber wer schafft hier Abhilfe?

Gebührenordnung ist auch Verbraucherschutz!

Die Sicherstellung richtiger Jahresabschlüsse und Lageberichte durch gesetzliche Pflichtprüfungen sollte der stärkste Schutz für Anleger, Kreditgeber und Lieferanten am (Kapital)markt sein. Diese Vorstellung hatten die WP-Gründer 1931, als per Notverordnung das Amt des Wirtschaftsprüfers geschaffen wurde. Seit über 90 Jahren hat sich in Deutschland Vieles in der Abschlussprüfung geändert. Eine Gebührenordnung oder ähnliches für Zwecke des Anlegerschutzes und damit auch des Verbraucherschutzes war nicht dabei. Ganz im Gegenteil: Der Gesetzgeber hat 2007 die Öffnungsklausel für eine Gebührenordnung aus der WPO genommen, weil sich der Berufsstand nicht mehr dafür interessierte. So die Begründung des Gesetzgebers.

Als wesentlichen Grund für das Ausbleiben der Gebührenordnung erkennen wir inzwischen, dass Big4, IDW und WPK die Gebührenordnung nicht wollten und auch heute noch nicht wollen. Dies bestätigte uns WPK-Präsident Andreas Dörschell schon vor seiner Wahl zum Präsidenten mit Aussagen zur “Honorarordnung” wie: “Mindesthonorare haben die Tendenz zur Deckelung”  oder “Honorarordnung hat vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechnung keinen Bestand“. Auch wenn hier Gebührenordnung mit der Honorarordnung vertauscht wurde, im Ergebnis wird auch die Gebührenordnung abgelehnt.
Die Ablehnung der Gebührenordnung bekräftigt für uns das Urteil von Dr. Jens Alt, der in seiner Diss. 2006 „Organisationswandel und Unabhängigkeit in Professional Service Firms“, S. 64 feststellt: … Im Ergebnis ist die Wirtschaftsprüfung eine historisch gewachsene Institution, deren Ziele, Aufgaben und Anspruchsgruppen in hohem Masse dem politischen Aushandlungsprozess unterliegen. Anders formuliert: Die Lobbyisten entscheiden über Inhalt und Ausmaß der Regulierung. Da die Vorschläge von wp-net vom Gesetzgeber bislang nicht aufgegriffen wurden, wird Dr. Alt mit den Teilnehmern am Aushandlungsprozess wohl auch IDW, Big4 und die WPK gemeint haben.

Wegen des Verbraucherschutzgedankens führt für uns kein Weg an der Gebührenordnung vorbei:„Da der Honorarverfall unbestritten zu einem Verlust an Prüfungsqualität führt, besteht die Notwendigkeit des Eingriffs in die Marktmechanismen und der Einführung einer verbindlichen Gebührenordnung für gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen“, so drückt es Prof. Peemöller in allen Auflagen seines Buches „Bilanzskandale“ aus. Bei einer Gebührenordnung kann das geprüfte Unternehmen nur geringen Einfluss auf die Prüfungsqualität und auf den Bestätigungsvermerk nehmen. Durch ein gutes Honorar wird also der Verbraucherschutz gestärkt.

Gebührenordnung auf Stundensatzbasis unterstützt Prüfungsqualität

Eine Stundensatzvergütung stärkt die Unabhängigkeit der Prüfer und damit die Qualität. Der Autor selbst wurde 1995 mit einer Abschlussprüfung beauftragt, weil der Vorprüfer in Ungnade gefallen war. Grund: Bei den Vorräten bestand der bisherige WP auf hohe Abwertungen, wie wir später von Mitarbeitern erfuhren. Bei der Erstprüfung wurden auch wir mit einem hohen Vorratsvermögen konfrontiert. Für die Aufklärung der Hintergründe für die hohen Warenbestände brauchten wir zusätzliche 3 Wochen. Denn es war auch Bilanzfälschung im Spiel. Unterstützt hat uns hier die Honorarvereinbarung auf Stundensatzbasis. Die Aufklärungsarbeit hat nicht nur die Prüfungszeiten verdoppelt, sondern auch unser Prüfungshonorar. Wie diese schon mehrere Jahre andauernde Bilanzfälschung aufgedeckt wurde, erfahren Sie hier.

Ein Vorteil der Vergütung auf Stundenbasis ist, dass die Auftragsverhandlung nicht mehr nur über den (Gesamt)honorar geführt wird, sondern mehrere Teile hat, z.B. die Anzahl der Stunden. Dem Unternehmen werden die Bedingungen für die Einhaltung der geplanten Prüferstunden mitgeteilt. D.h. Verzögerungstaktiken, wie bei Wirecard, werden dokumentiert und abgerechnet, von Mehraufwand ist nicht mehr die Rede.

Gebührenordnung ist auch ein wirksames Mittel gegen die Prüfer-Konzentration

Während Big4 die Möglichkeit über Quersubventionierung ausgiebig nutzen, geht die Mehrheit der kleinen Prüfer leer aus. So die FAZ vom 5. April 2014 Nr. 81, S. 28: „…zu groß ist die Verlockung, die niedrigen Honorare in der Wirtschaftsprüfung mit den ungleich höheren im Beratungsgeschäft aufzuhübschen. Die Prüfungsumsätze sind heute gegenüber dem Consulting in der Minderheit, Tendenz natürlich steigend.“ Die Unterbindung der Quersubventionierung durch Beratungsaufträge ist also ein weiterer und wichtiger Grund für die Gebührenordnung. Denn die mit der Quersubventionierung  einhergehende Interessenskollision stellt die kritische Grundhaltung des Prüfers auf den Kopf. Löhr/Knop dazu in der FAZ 5.4.14…. „Die Verlockung, niedrige Honorare in der Wirtschaftsprüfung mit den ungleich höheren im Beratungsgeschäft aufzubessern, ist zu groß.” Auch die Big4-Umsatzstatistik legt ein deutliches Zeugnis für die Quersubventionierung ab. 10 Jahre später und um die EY-Wirecard Erfahrungen reicher, sind weder die WPK, noch der Gesetzgeber mit einer Gebührenordnung gegen die Prüferkonzentration weiter vorangekommen.

Mit einer Gebührenordnung für die reinen Prüfungsleistungen gäbe es einen fairen Markt mit Waffengleichheit für alle Abschlussprüfer. Eine Quersubventionierung ist nicht notwendig! Auch mittelständische Prüfer könnten damit konkurrieren und die derzeitig erkennbare deutliche Abnahme der Abschlussprüfer könnte gestoppt werden. Es gäbe wieder einen freien Prüfermarkt mit Zutritt für alle Prüfer.

Die Erkenntnisse aus den EY-Wirecard-Prüfungen

Nach den vielen vorliegenden Infos über die 10 Jahre EY-Wirecardprüfungen darf man unterstellen, dass eine Gebührenordnung die frühe Aufdeckung des Betrugs unterstützt hätte. Die Hinhaltetaktik des Wirecard-Managements bei der Anforderung der Prüfungsnachweise und den damit geschaffenen Zeitdruck, führt in der Regel zu Fehlentscheidungen, weil man dem Druck nachgibt. Folge ist: Der Prüfer gibt sich mit Nachweisen geringerer Verlässlichkeit zufrieden. Bei Wirecard hat sich EY häufig mit Vorstandsauskünften und -bestätigungen als Prüfungsnachweise zufrieden gegeben.

Es ist zwar richtig, dass die Abschlussprüfung keine forensische Prüfung ist. Jedoch verlangt § 317 HGB vom Prüfer, dass „bei gewissenhafter Durchführung der Abschlussprüfungen Unrichtigkeiten und Verstöße erkannt werden müssen“. Wenn man bei den Wirecard-Fernost-Banken auch Bankbestätigungen eingeholt hätte, hätte der Betrug nur eine kurze Überlebenszeit gehabt. Aus dem Parmalat-Betrug 2003 hatten die Wirecardprüfer wohl nichts gelernt!
 

Gebührenordnung unterstützt auch die Einhaltung der Berufspflichten

Der Gesetzgeber und die Öffentlichkeit verlangen verständlicherweise die Einhaltung der Berufspflichten. Bei der Gestaltung des Prüfungsumfelds lässt er aber niedrige Honorare zu. Damit fördert der Gesetzgeber eher die Nichteinhaltung der Berufspflichten, statt sie zu unterstützen. Dieser Widerspruch muss ein Ende haben! Die Regulierungen sind nicht schlüssig. Die Einhaltung der Unabhängigkeit, Gewissenhaftigkeit, kritische Grundhaltung, Unparteilichkeit, Eigenverantwortung und Verschwiegenheit (§ 43 Abs. 1 und Abs. 4 WPO) wird durch den Gesetzgeber nur oberflächlich mit Maßnahmen unterstützt. Eine positive gesetzliche Maßnahme zur Pflichtensicherung wäre die Einführung der Gebührenordnung. Prof. Peemöllers Feststellung in “Bilanzskandale” ist zuzustimmen, da eine Jahrzehnte alte Erfahrung von den Gegnern der Gebührenordnung ignoriert wird: Honorarverfall führt unbestritten zum Verlust an Prüfungsqualität“. Die Gebührenordnung würde auch den Honorarverfall stoppen und damit die Qualität stärken.

Prüfungsqualität kommt nicht aus „Dam Ping!“

Peemöllers “Bilanzskandale” liefert Nachweise für die Aussage „Dumpingpreise liefern nicht nur keine Qualität, sondern fördern und unterstützen den Bilanzbetrug“. Viele Staaten im EU-Ausland haben bereits eine Gebührenordnung oder zumindest eine qualitätssichernde Entgeltregelung. In Frankreich und Belgien gibt es z.B. eine Mindeststundenregelung verbunden mit Mindeststundensätzen auf gesetzlicher Basis.

Wie aufgezeigt, hilft die Gebührenordnung die Qualität der Prüfungen zu sichern, Dumpingpreise zu verhindern, die Unabhängigkeit des WPs zu wahren und dem freiberuflichen Berufsstand eine Zukunft zu geben. Es muss verhindert werden, dass durch unzureichende Prüfungszeiten und niedrige Honorare (Dumpingpreise) Prüfungsnachweise minderer Qualität eingeholt werden, die Fehlurteile zur Folge haben.

Im ersten Schritt sollte die Politik endlich erkennen, dass es besser wäre, die Prüfungsqualität durch unterstützende Maßnahmen zu stärken, statt über die strafende Regulierung Änderungen zu erreichen. Die Regierung muss sich von der falschen Vorstellung trennen, dass die Gebührenordnung mit der Marktwirtschaft nicht vereinbar sei. Die Abschlussprüfung ist auch kein Teilnehmer der freien Marktwirtschaft, sondern ein stark reguliertes und hoheitliches Feld zur Sicherung des Kapitalmarktes. In diesem Umfeld leistet eine Gebührenordnung einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der freien Marktwirtschaft, analog der deutschen Notare, die eine Gebührenordnung schon immer haben.

Die Gebührenordnung ist kein Bürokratiemonster, sondern sie bekämpft die „Bazar-Mentalität“ der zu prüfenden Unternehmen, die noch nicht verstanden haben, dass der Abschlussprüfer mehr ist als nur ein billiger und williger „Hakelmacher“ aus „Dam Ping“.

In einem der nächsten Newsletter werden wir eine Lösung für die Gebührenordnung vorstellen.


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Bildnachweis: William Potter/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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