Machen wir gemeinsam die Kammer stark!
Kammer stärken
Kategorie: Beiratswahlen
Datum: 27.06.2022

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

20 Jahre IDW-Standards sagen uns: IDW Facharbeit ist nur ein schwaches Programm gegen Bilanzfälschung – deswegen Facharbeit mit dem gesamten Berufsstand mit der WPK.

1. Holen wir uns im ersten Schritt die legislative Macht in die Kammer 

Mit der Abgabe ihrer legislativen Rechte an das IDW 1997/1998 entledigte sich die WPK ohne Not ihrer legislativen Macht über die fachlichen Regeln. Um die Jahrtausendwende schnappte sich das IDW auch noch die ISA-Übersetzungsrechte. Seitdem sitzt die WPK bei den fachlichen Regeln nur noch am “IDW-Katzentisch“. So nennen wir den WPK-Gaststatus in den HFA-Sitzungen. 

Präsident Ziegler findet dies ganz in Ordnung. Unsere Aufforderung, die Übersetzungsrechte in die Kammer zu holen, lehnt er ab: „Wir können daran nichts ändern“. 

Zusätzlich mit dem ISA-Übersetzungsmonopol beherrscht das IDW – und nicht die WPK – zweierlei Gestaltungsmöglichkeiten bei den Prüfer-Regeln. Einmal nimmt der privatrechtliche Verein IDW schon bei der Übersetzung Einfluss auf den Inhalt (Dazu mehr unter “2. Nur zwingende Prüfungsnachweise …” ). Der zweite materielle Eingriff geschieht, wenn das IDW nach der Übersetzung die ISA-Regeln noch an „deutsches IDW-Prüfungsrecht“ anpasst. Man spricht von der Transformation der ISA in IDW PS (heute ISA-DE) unter Übernahme dessen Grundsätze. 

Mit der Mehrheit bei den Beiratswahlen für die WP Gschrei & vBP-Eschbach-Listen holen wir mit der legislativen Macht “Mitsprache bei der Prüfungssetzung” wieder mehr Macht in die Kammer. 

Mit unserer legislativen Kammerstärkung setzen wir auch einen der drei Kernwünsche der IDW/Dörschell-Liste um:
Wir wollen eine starke Kammer! 

Blicken wir zum Auftakt der Analyse auf den Start der dt. Finanzkrise 2008 und auf die HRE-Rettung zurück.

2. Nur zwingende Prüfungsnachweise schaffen gute Testate

Die Risiken der ISA-Übersetzung und IDW-Transformation sollen anhand der Analyse von Dr. Krommes aus seinem „Handbuch Jahresabschlussprüfung“, 3. Aufl. S. 262 ff, vorgestellt werden.

Völlig zurecht kritisiert Dr. Krommes die oberflächliche Übersetzung des wichtigen IDW PS 300 Tz 10:  „Der Abschlussprüfer wird sich im Regelfall auf Prüfungsnachweise verlassen müssen, selbst wenn diese eher überzeugend als zwingend sind. Um seine Aussagen mit hinreichender Sicherheit treffen zu können, darf sich der Abschlussprüfer nicht mit Prüfungsnachweisen zufriedengeben, die nicht mindestens überzeugend sind…“.

Für Dr. Krommes liefert der Überzeugungsnachweis nur eine Scheingenauigkeit. Diese Scheingenauigkeit taucht auch in IDW PS 200 Tz 26 auf: „Die Grenzen der aus einer Abschlussprüfung zu ziehenden Erkenntnismöglichkeiten werden u.a. bestimmt durch: die Tatsache, dass in den meisten Fällen die Prüfungsnachweise eher überzeugend als zwingend sind, sie also Schlussfolgerungen nahelegen, ohne aber einen endgültigen Beweis zu liefern“.

Der Jahresabschlussprüfer muss nach Krommes immer im Gedächtnis behalten, dass er mit seiner „eigenen“ Überzeugung noch keinen zwingenden Prüfungsnachweis in den Händen hält. So erlebte der KPMG-Prüfer bei der HRE-Prüfung 2007 mit der Plausibilisierung der mangelhaft transparenten Finanzprodukte (Siehe Nr. 3. – Mit dem Plausibilisierungstestat in die Finanzkrise 2008) „sein blaues Wunder“.

Die inhaltliche IDW-Vorgabe zur Ausgestaltung des zwingenden Prüfungsnachweises trifft nach Dr. Krommes das eigentliche Problem des Prüfungsnachweises nicht. Nach seiner Auslegung wird im ISA-Original etwas völlig anderes zum Ausdruck gebracht. Im Original-ISA ist davon die Rede, dass, „the audit evidence on which the auditor draws conclusions and bases the auditor´s opinion being persuasive rather conclusive“.

Zusätzlich empfiehlt Dr. Krommes für die Übersetzung auch ein gutes Lexikon zu verwenden, um zu verstehen, was z.B. mit der Original-Formulierung „audit evidence that ist persuasive rather than conclusive“ wirklich gemeint ist.

Krommes selbst stieg in die Muttersprache Englisch tief ein und kam zum folgenden Ergebnis: „Im Normalfall wird der Prüfer auf einen Nachweis „angewiesen“ sein, der mehr „überredend“ als „schlüssig“ ist. Aus diesem Bewusstsein heraus wird der Prüfer nach Prüfungsnachweisen aus anderen Quellen oder von anderen Art suchen, die die gleiche Aussage stützen. Der eine Prüfungsnachweis bedarf also der Ergänzung durch einen anderen Nachweis und auf einem anderen Weg. Erst in diesem Zusammenspiel werden beide zwingend“.

Weitere Ausführungen sind dazu im Krommes Handbuch der Abschlussprüfung nachzulesen. Dort wird auch „Die Problematik der Scheingenauigkeit“ angesprochen. Dieser Frage hat sich das IDW nach unserer Erinnerung noch nie angenommen. Das IDW begegnet der Scheingenauigkeit nach unserer Analyse mit dem Entlastungsargument an die Bilanzadressaten. Bilanzskandale werden damit eher als unvermeidbares Prüferrisiko und damit der Erwartungslücke zugeordnet. 

Nach unserer Analyse hat das IDW mit ihren oberflächlichen Übersetzungen in Prüfer-Kernbereichen, wie dem Prüfungsnachweis durch Überzeugung, den Prüfern eine Steilvorlage geliefert, sich keine Mühe dabei zu geben, einen zwingenden Prüfungsnachweis einzuholen.

Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass verbindliche Standards nur der gesamte Berufstand in der WPK beschließen darf. Das Narrativ der IDW/Dörschell Liste vom gemeinsamen Berufsstand mit einer starken Kammer stößt hier an seine Grenzen. Unsere Forderung zu unterstützen wäre eine Möglichkeit für die IDW/Dörschell-Liste, um die Grenzen zu überwinden. 

Eine starke Kammer haben wir erst, wenn die Facharbeit und die ISA Übersetzungsrechte in der Kammer angekommen sind. Nur immer von einer starken Kammer zu fantasieren und alles beim IDW zu belassen, erinnert uns an eine Weisheit von Albert Einstein: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert“.

 

3. IDW PS-Risiko am Beispiel HRE-Prüfung 2007: Überzeugender, statt zwingender Prüfungsnachweis geht für uns gar nicht! 

Die Prüfung der Werthaltigkeit der mangelhaft transparenten Finanzprodukte (z.B. CDOs) im Jahresabschluss 2007 der HRE reichte nicht zu einem zwingenden Prüfungsnachweis. Dies hätte viel Zeitaufwand erfordert, wie dies Dr. Krommes im Interview im wp.net-magazin 2009 erläuterte (wp-net-magazin 2007, S. 46). Der KPMG-Abschlussprüfer nahm sich nicht die Zeit, sondern entschied sich für PS 300, Tz 10 i.V. mit PS 200,Tz 26 für die „Wunderpille“ aus dem Sortiment der Prüfungshandlungen: Diese nennt sich „Plausibilisierung“. Diese Vorgaben erlauben dem Prüfer wohl (fast) alles zu bestätigen und damit auch zu siegeln. Hier die im Protokoll des HRE-Unteruntersuchungsausschusses vom 2.7.2009 auf S. 131 festgehaltene KMPG-Prüfungshandlung: „Wir haben auf Basis der Kenntnisse, die wir im Rahmen der gesamten Prüfung seit mehreren Monaten erzielt hatten, und auf Basis der Unterlagen und Informationen, die uns dort gegeben wurden, diese Werte geprüft und nachvollzogen und als plausibel eingestuft.“)…

Mit der Plausibilisierung als Prüfungsnachweis ins “Verderben”! 

Der Big4-Prüfer vollbrachte damit das Wunder: Mangelhaft transparente Finanzprodukte zu Bewertungszwecken mit etwas zu vergleichen, was er nicht kannte oder sehen konnte. Denn die Finanzprodukte waren mangelhaft transparent, wie sein Chef, der KPMG-Vorsitzende Klaus Becker, 2008 in der WPg der Öffentlichkeit mitteilte. 

Wie schafften es die KMPG-Prüfer die zig-Mrd.-EUR-Bestände an mangelhaft transparenten Finanzprodukten plausibilisierend zu bewerten? Für uns ginge dies nur, wenn sich der Prüfer einen, ihn überzeugenden Prüfungsnachweise aussuchte. Der Prüfer war von seiner Entscheidung überzeugt. Der Nachweis entspricht PS 300,10 und führt zur Plausibilisierung der Finanzprodukte, und sogar zu einem uneingeschränkten Testat. Gute Nacht IDW-Standards! 

Da wird man doch an einen Erfahrungssatz bei der Richterschaft erinnert, der anscheinend auch den Abschlussprüfern beim Prüfungsnachweis Eingang gefunden hat: „Es gibt keinen noch so erheblichen Zweifel, der nicht durch die Überzeugungskraft eines deutschen Abschlussprüfers (m/w) überwunden werden könnte.“ Den Finanzmarkt überzeugten die KPMG-Überlegungen weniger. Kurze Zeit später wurden 175 Mrd. EUR an Finanzprodukten von der HRE in die Bad Bank FMS ausgelagert. Diese versucht heute noch mit den mehr oder weniger wertlosen Finanzprodukten die Kosten der Steuerzahler zu minimieren.

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Mehr zu unseren Analysen und den dazu passenden Reformplänen auf wp-net-Aktuelles und auf der wp-net-Wahl-Website:

Bildnachweis: StunningArt/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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