Postdemokratisches Wahlverhalten im Big4-Bereich
Demokratie
Datum: 22.12.2022

Herrn Dr. Hasenburg billigten die KPMG-Wähler nur den 5. Platz auf der Becker-KPMG-Liste zu. Er brauchte jedoch mindestens Platz 4 in der KPMG-Beiratsmannschaft, um in den Vorstand aufzusteigen. Die vorgesehene WPK-Karriere von Dr. Hasenburg hätte wohl ein frühzeitiges Ende gefunden. Kein Wunder, dass man dazu die fünf auch einmal gerade sein lässt. Nicht die KPMG-Kollegin auf dem 4. Platz schenkte ihren Platz Herrn Dr. Hasenburg, sondern die Kollegin auf Platz 3 wählte für Dr. Hasenburg den Abgang aus dem Beirat!

Wir werden die Gründe wohl nie erfahren. Dr. Hasenburg kann also seine 2018 begonnene WPK-Karriere fortsetzen. Er ist nicht nur WPK-Vizepräsident geworden, sondern seine Vorstandskollegen machten ihn auch noch zum Vorsitzenden der wichtigsten WPK-Abteilung der „Berufsaufsicht“.

Den Vogel bei der Beiratswahl-Ergebnisgestaltung hat aus meiner Sicht aber die EY-Liste abgeschossen. Bei EY musste nicht nur ein gewähltes Beiratsmitglied aus dem Beirat abtreten. Für den EY-Listenführer Christian Janze mussten gleich vier aus den vorderen Plätzen ihre Beiratskarriere an den Nagel hängen. Damit mussten sowohl das gewählte Beiratsmitglied Peter Wollmert als auch drei Nachrücker für Herrn Janze „geopfert“ werden. Ob auch dies alles so freiwillig vonstattenging, entscheidet der Leser wieder unter Einsatz seiner der kritischen Grundhaltung.

Die auch als “Mandatsverzicht” bezeichneten Rücktritte haben für mich mehr als nur ein Geschmäckle! Ob vorauseilender Gehorsam, arbeitsrechtliche Abhängigkeiten oder andere Motive zum Rücktritt zwangen, wissen wir nicht.

Diese postdemokratischen Verschiebebahnhöfe müssen durch ein neues Wahlrecht beseitigt werden.

Wer vertritt denn nun den gesamten WP Berufsstand?

Der offensichtliche Machtmissbrauch bei den KPMG- und EY-Wahllisten passt auch gut zu einem weiteren postdemokratischen Vorfall der IDW/Dörschell-Liste:

40 % der WPK-Wähler wird ein Vorstandsplatz verwehrt!

Begründung:  In den Vorgesprächen hat Dörschell ein Bündnis mit wp-net abgelehnt, weil wp-net andere Programme verfolge. Auch in der konstituierenden Beiratssitzung hat der, inzwischen zum Präsidenten der WPK gewählte Kollege Dörschell, diese Auffassung vertreten. Zwischen Dörschell-Liste und wp-net-Liste gebe es sehr viele unterschiedliche Auffassungen. Für den neugewählten Vize-Präsidenten Dr. Hasenburg (KPMG) sind die “Gemeinsamkeiten aufgebraucht”.

In der gleichen Beiratssitzung, in der Dörschell die Unvereinbarkeit der Standpunkte zwischen wp-net und IDW/Dörschell-Liste verkündet, behauptet der Präsident: Die Dörschell-Liste deckt den gesamten Berufsstand ab.

Was nun, Herr Präsident?

Entweder gehören 40 % der Wähler nicht mehr zum WP-Berufsstand oder die Dörschell-Liste hat die wp-net-Programme übernommen. Beides geht denk-logisch nicht.

40 % wp-net Wähler „abzudecken“ ohne deren Programme übernehmen zu wollen, bedeutet doch, dass eine Wählertäuschung oder -betrug vorliegen würde. Auch dieser intellektuelle Spagat ist denk-logisch unmöglich.

Diese Feststellung zur Denk-Logik stammt vom Kölner Finanzgerichtspräsidenten Benno Scharpenbuch im Zusammenhang mit dem CumEx-Betrug. Damit wischte Scharpenbuch die Anwaltslogik des Herrn Berger vom Tisch. Eine Steuerzahlung kann nur einmal rückerstattet werden, bzw. eine nicht gezahlte Steuer, kann nicht zurückgefordert werden.

Die unmögliche Denklogik besagt: Wahlprogramme, die mir nicht gefallen, kann ich auch nicht vertreten, ohne Wählertäuschung oder Wählerbetrug zu begehen.

Wenn also Herrn Dörschell die Programme von wp-net nicht gefallen, z.B.:

  • Fehlerkultur, statt anonyme Abschlussdurchsichten,
  • Qualitätskontrolle aus der Beitragsordnung herausnehmen, und die Abschlussprüfer die Qualitätskontrolle alleine zahlen zu lassen, oder
  • Trennung von Beratung und Prüfung im PIE-Bereich, statt die Beratung erlauben, usw.

Dann steht die Dörschell-Liste auch nicht hinter den Programmen und dann hat die Dörschell-Politik die 40 % wp-net-Wähler nicht im Blick.

Ergebnis: Da wir den Präsidenten nicht des Wählerbetrugs bezichtigen wollen, bleibt nur zu konstatieren, dass die Dörschell-Liste 40 % wp-net-Wähler nicht vertritt.

Wenn wp-net als größte Gruppe, mit 40 % Wählerstimmen, keinen Platz im Führungsgremium der Kammer bekommen, dann wird die WPK als Berufsstandesvertretung obsolet.

Daraus folgt, dass man diese WPK mit ihrer Ausgrenzungspolitik in Ihrer jetzigen Form und Zusammensetzung nicht mehr braucht.

Dieses demokratiefeindliche Verhalten des Präsidenten und auch der Vertreter der Big4-Listen gegenüber 40 % der Wähler ist einer Selbstverwaltungskörperschaft unwürdig. Solche Berufskammern braucht man nicht, sie untergraben das Fundament der freien Selbstverwaltungskörperschaften.

 


Bildnachweis: Lightspring/Shutterstock

Michael Gschrei
Author: Michael Gschrei

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