wp.weekly: Höhere Haftung, aber keine höheren Prämien! Wie geht das?
Gesetze und Regeln
Datum: 23.11.2022

Immer öfter wird an wp-net die Frage herangetragen: Wie hoch soll oder muss ich mich als Abschlussprüfer ab 2023 wegen der FISG-Reform versichern? Wie hoch werden die Vermögensschadenhaftpflicht (VSH) Prämien steigen?

Wir haben bei unserem Juristen, Prof. Dr. Jürgen Stuhr, nachgefragt. Die Antwort haben wir so nicht erwartet. Wir können den Wunsch nach höheren Prämien in der Versicherungsbranche nachvollziehen. Aber wenn ich ein kleines Auto versichere, muss die Versicherungssumme auch nicht über 1 Mio. EUR sein.

Lesen Sie mit Interesse die Feststellungen, die Jürgen Stuhr für uns zusammengetragen hat. Ich wünsche Ihnen erfreuliche drei Minuten.


Mögliches EY-Fehlverhalten bei Wirecard, doch ohne Spätfolgen für unsere VSH?

von Prof. Dr. H-Jürgen Stuhr
Mitglied bei wp-net e.V.

Die Spruchkammer in der APAS vertagt bis Mitte Januar 2023 ihr Urteil über ein mögliches Fehlverhalten von 12 EY-Mitarbeitern und EY selbst, berichtete die FT am 16.11.2022. Es geht um die wohl mangelhaften Prüfungen von Wirecard AG und ihrer Banktochter Wirecard Bank ab 2015.

Versicherungsvertreter prognostizierten wegen der gestiegenen Haftungssummen massive Prämienanhebungen für die KMU-Praxen ab 2023.

Hintergrund ist: KollegInnen berichten, dass die VSH-Prämien 2023 für Prüfungen im Non-PIE-Bereich aus den vollen Haftungsrisiken des § 323 Abs. 2 HGB berechnet werden. Danach würde der Abschlussprüfer im Non-PIE-Bereich bei einfacher Fahrlässigkeit mit bis zu 1,5 Mio. EUR (nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 HGB) und bei grober Fahrlässigkeit bis 12 Mio. EUR haften (§ 323 Abs. 2 S. 4 HGB).

Müssen drastische Prämienanhebungen als “EY-Spätfolgen” wirklich sein?

Richtig ist: Seit FISG fallen die Versicherungspflichtsummen nach § 54 Abs. 4 WPO und die Haftungssummen nach § 323 Abs. 2 HGB weit auseinander. Deswegen dürfen die WPO-Versicherungspflicht und die HGB-Haftung nicht verwechselt werden.

Der Gesetzgeber hat zwar die handelsrechtliche Haftungssumme erhöht. Die Mindestversicherungssumme für die Berufshaftpflichtversicherung nach der WPO blieb jedoch unangetastet.

Dies bedeutet: WPs/vBPs müssen sich weiter nur für 1 Mio. EUR versichern, um Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer bleiben zu können. Die Übernahme des Risikos bis zum maximalen handelsrechtlichen Schadenersatz (1,5 Mio. bzw. 12 Mio. EUR) muss der Abschlussprüfer gem. § 27 unserer WP/vBP-Berufssatzung mit sich selbst klären: „Die gemäß § 54 WPO zu unterhaltende Berufshaftpflichtversicherung soll über die Höhe der Mindestversicherung hinausgehen, wenn Art und Umfang der Haftungsrisiken des WP/vBP dies erfordern“.

Prüfungsqualität entscheidet über Prämienhöhe

Die Folge: Der WP muss zukünftig stärker als bisher, die Risiken des Mandats analysieren und auswerten. Bestimmt kann man auch die Prüfungsdokumentation noch verbessern, um als Abschlussprüfer die Einhaltung der Berufspflichten, wie kritische Grundhaltung, im Ernstfall zu belegen.

Die Qualität der Prüfung hält die Haftung nach § 323 HGB gering. Der Prüfer braucht dann keine VSH über 12 Mio. EUR, weil die grobe Fahrlässigkeit in weite Ferne gerückt ist. Die Anhebung der VSH-Versicherungssumme auf 1,5 Mio. EUR bei einfacher Fahrlässigkeit sollte man dann in Erwägung ziehen, wenn sich der Abschlussprüfer selbst nur gering an der Prüfung beteiligt.

Die inhärenten Risiken des Geschäftsmodells, die man bisher erst mit Aufnahme der Prüfung ausfindig machte, sind nun früher – vor der Auftragserteilung – zu ermitteln. Die Redepflicht wird öfter zum Einsatz kommen müssen, um die Risiken und mangelhaften Kontrollen im Unternehmen zeitgerecht an die Geschäftsführung zu adressieren.

Das Ergebnis: Die bei Abschlussprüfung im Non-PIE-Segment drohende Haftungssumme von 12 Mio. EUR wegen grober Fahrlässigkeit könnte man deswegen als einen Papiertiger ansehen. Andererseits ist die höhere Haftungssumme auch ein Berufspflichtendverstärker. Damit hätte der Gesetzgeber wohl sein Ziel erreicht, dass die Prüfer – unterstützt von der kritischen Grundhaltung – gewissenhafter prüfen. Sollen wir deswegen EY dankbar sein?

Ihr Jürgen Stuhr

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Bildnachweis: Wetzkaz Graphics/Shutterstock

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