wp.weekly: Misslungene Verhältnismäßigkeit der Berufssatzung
Herausforderungen für Mittelstand und Big4 durch WPK-Berufssatzung
Kategorie: Aktuelles | WPK
Datum: 31.05.2024

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Bereits zur WPO-Reform 2015 kritisierte der Verfassungsrechtler Prof. Winfried Kluth – Uni Halle – in seinem Gutachten für wp-net die Unbestimmtheit mehrerer WPO-Regelungen als Verfassungsverstoß. Trotzdem unterzeichnete Bundespräsident Joachim Gauck das APAReG. 

Wir erleben bei der aktuellen Einführung neuer WPK-Satzungsregelungen zur Anpassung an US-Börsenprüfungsqualität erneut einen möglichen “Verfassungsverstoß”, diesmal auf Satzungsebene. Bei der Satzungsänderung 2024 schert der IDW/Big-WPK-Vorstand die Regelungen für Big4 und Einzelpraxen „über einen Kamm.“

Der WPK-Vorstand hat trotz der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit eine spezifische Rechtfertigungspflicht, warum er der Verhältnismäßigkeit in der Satzung ausweicht. 

Bei den vorgesehenen Regelungen von § 50 Abs. 2 bis 4 der WP/vBP-Berufssatzung (BS) berücksichtigt der Vorstand weder die unterschiedlichen Praxisstrukturen noch die Unterscheidung in PIE- und Non-PIE-Prüfungen.

Wir haben deswegen unseren wp-net-Beiratssprecher WP/StB/RA Holger Friebel gebeten, sich als Jurist dazu zu äußern, ob der vom Vorstand eingeschlagene Weg rechtlich tragbar ist.

Ihr Michael Gschrei 
und das Team von wp-net

wp.weekly

 


Der Vorschlag des Vorstands der WPK zur Änderung der Berufssatzung enthält keine Begründung, warum er das Qualitätsmanagementsystem (QMS) der Big4 und das der Einzelpraxis gleichbehandelt wissen will. Die zuständigen Gremien der Kammer haben es versäumt, beginnend von den Big4 hinunter bis zu den Einzelpraxen jeweils spezifische Regelungen zu entwickeln und vorzugeben. Dies soll wohl wieder die Kommission für Qualitätskontrolle (KfQK) in Abstimmung mit dem Vorstand durch eine Verwaltungsanweisung erledigen, so wie es in der Vergangenheit oft geschehen ist. Wieder zu Lasten der mittelständischen Wirtschaftsprüfung? Weil sich die KfQK von der APAS (ver-)leiten lässt? 

In der WPK-Beiratssitzung am 03. Juni 2024 geht es also auch um die satzungsmäßige Verankerung von weiteren Berufspflichten bei gesetzlichen Abschlussprüfungen. Hierbei handelt es sich um den

Dies sind wichtige und zum Teil überfällige Regelungen, jedenfalls für die PIE-Prüfungen. 

Zu viel Bürokratie lähmt und macht krank. Deshalb haben der Bundes- und die Landesgesetzgeber publikumswirksam den Bürokratieabbau in den Fokus genommen. Ganz anders der WPK-Vorstand. Die von ihm angestrebten Satzungsänderungen lösen die Aufgabe für alle Abschlussprüfer auf Basis der Anforderungen aus der Kapitalmarktregulierung. Unabhängig von der Struktur der Praxis und der Bedeutung der jeweiligen Abschlussprüfung.

Deutschland hat ca. 750 Kapitalmarktunternehmen, aber rund 45.000 prüfungspflichtige mittelständische Unternehmen, die dem Non-PIE-Bereich zugeordnet werden. Der Aufwand für eine Abschlussprüfung darf nicht höher sein als ihr Nutzen. Mit dem unspezifischen Änderungsvorschlag steht zu befürchten, dass dieser Aufwand auf Betreiben der KfQK steigen wird.

Man kann Prüfungen sicher besser machen. Aber nicht, ohne den Aufwand für beide Seiten dafür zu erhöhen. Spätestens aber dann, wenn der Aufwand den Nutzen erreicht, ist eine weitere Erhöhung der Prüfungsgenauigkeit für alle Beteiligten sinnlos.

Schutzgut der Abschlussprüfung ist der Kapitalmarkt. Also die Teilnehmer an diesem. Außerhalb des PIE-Bereichs im Regelfall die Eigentümerfamilien und lokale Kreditinstitute. Das einzelne Non-PIE-Unternehmen wird schon deswegen keinen so großen Schaden anrichten, weil die Vernichtung des Eigenkapitals den Unternehmer in der Regel selber trifft. Anders bei Wirecard & Co! Warum also die unverhältnismäßige Verschärfung für den Mittelstand?

Die Prüfungspflicht für die Non-PIE-Gruppe ergibt sich aus der wirtschaftlichen Bedeutung der Gesamtheit aller und nicht aus dem einzelnen Non-PIE-Unternehmen. In diesem Segment sind Untergang und Neugründung von Unternehmen an der Tagesordnung. Eine noch genauere Prüfung erhöht den Nutzen für die Teilnehmer am Kapitalmarkt kaum.

Die in der letzten Beiratssitzung von wp.net abgelehnten Satzungsänderungen (Risikobewertungsprozess in § 50 Abs. 2, Information und Kommunikation in § 50 Abs. 3 und Festlegung der Verantwortlichkeiten in § 50 Abs. 4) werden vom Vorstand nun unverändert dem Beirat abermals zur Abstimmung vorlegt. Ergänzt und verändert hat der Vorstand in seiner Vorlage nur die Begründung. In Anlehnung an die juristische Verhältnismäßigkeitsprüfung untergliedert er die Begründung nun in

Der Vorstand kommt bei allen Änderungen bzw. Ergänzungen zum Ergebnis: Alle drei Voraussetzungen liegen jeweils vor!

Bei genauer Betrachtung ist aber schnell festzustellen, dass der Vorstand gerade bei der Angemessenheit, juristisch auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, die vorstehenden Überlegungen zur Aufwand – Nutzen –Analyse außen vorlässt und gar nicht darauf eingeht.

Beispielsweise zum Risikobewertungsprozess führt er aus:
„Voraussetzung hierfür ist, dass der mit ihnen verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Mitglieder (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht deutlich schwerer wiegt als die mit ihnen verfolgten Belange des Allgemeinwohls (hier im Wesentlichen: Sicherstellung der Qualität der gesetzlichen Abschlussprüfung).“

Damit verschiebt der Vorstand den Wertungsmaßstab, da er auf die Berufsausübungsfreiheit referenziert. Da aber fast Drei-Viertel aller Wirtschaftsprüfer persönlich gar keine gesetzlichen Abschlussprüfungen mehr durchführen dürfen, sollte leicht erkennbar sein, dass der richtige Maßstab die Berufswahl ist und nicht die Ausübungsfreiheit. Bei der Berufswahl sind sehr viel strengere Kriterien als bei der Ausübungsfreiheit anzulegen.

Ferner unterstellt der Vorstand, dass die Belange des Gemeinwohls durch die Sicherstellung der Prüfungsqualität ausreichend berücksichtigt werden. Dies ist aber so gar nicht zutreffend. Vielmehr ist das Funktionieren der Kapitalmärkte von zentraler Bedeutung für das Gemeinwohl. Dieses wiederum soll durch eine hohe Prüfungsqualität sichergestellt werden. Das kann aber nur in dem Ausmaß gelingen, in dem das geprüfte Unternehmen den Kapitalmarkt auch in Anspruch nimmt. Die Prüfungsqualität ist also nicht immer (und insbesondere bei Non-PIE-Unternehmen schon gar nicht) ein geeignetes Mittel zur Zielerreichung.

In den Beiratsvorlagen des WPK-Vorstands konnten wir die Verhältnismäßigkeit der Regelungen nicht ausfindig machen. Was hat den WPK-Vorstand davon abgehalten, Regelungen für die unterschiedlichen Praxen vorzulegen? Der stets bemühte Verweis auf die Grundnorm des § 50 Abs. 1 BS für die verhältnismäßige Einrichtung eines QMS wird regelmäßig von den Hinweisen der KfQK derart eingeengt, dass die Verhältnismäßigkeit nicht mehr spürbar vorhanden ist.

Dabei darf der Beirat die ihm nach § 55 Abs. 4 Nr. 5 WPO übertragene Kompetenz, das QMS der Praxen näher zu regeln, gar nicht weiter delegieren. Genau das ist aber Gegenstand der vorgeschlagenen Änderungen, bei denen letztlich es der KfQK wieder einmal überlassen bleibt, vorzugeben, wie die QMSe der kleineren Praxen beschaffen sein müssen.

Das Rechtsstaatsprinzip erfordert, dass alle Eingriffe – und zwar unabhängig, ob in die Berufswahl oder in die Berufsausübung – aufgrund gesetzlicher Grundlage erfolgen. Die Übergabe der Kompetenz zur Schaffung von Regelungen an die durch alle Mitglieder selbstverwaltete Körperschaft ist in engen Grenzen statthaft. Die Weitergabe der Kompetenz an ein nicht vollständig der Selbstverwaltung unterliegendes Organ der Körperschaft – wie die KfQK – jedoch nicht. Denn nun könnten einzelne Gruppen innerhalb der WPK diese Kompetenz für wettbewerbsverzerrende Eingriffe missbrauchen. Die mittelständische Wirtschaftsprüfung kann seit der Einführung der Qualitätskontrolle 2000 „ein Lied davon singen“, dass dies nicht nur eine abstrakte Möglichkeit ist.

wp.net wird aus den vorstehend genannten Gründen den unveränderten Änderungsvorschlägen wieder nicht zustimmen. Damit möchten wir Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser, die Freude an der Abschlussprüfung erhalten.

Bitte unterstützen Sie uns in zwei Jahren bei den nächsten WPK-Beiratswahlen, so wie wir schon seit 19 Jahren Sie und unseren mittelständischen Berufsstand unterstützen!

Ihr Holger Friebel
Sprecher der beiden wp-net-Beiratslisten und
Sprecher des GF-Vorstands von wp-net


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Bildnachweis: rudall30/Shutterstock

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Holger Friebel
Author: Holger Friebel

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